24.09.25

PNP-Vertrag der AOK Baden-Württemberg:
Innovative Studie PSYCHOnlineTHERAPIE ist erfolgreich

Im April 2024 endete die groß angelegte verhaltenstherapeutische Studie PSYCHOnlineTHERAPIE mit Patientinnen und Patienten mit Depressionen und Angststörungen, die vom Innovationsfonds gefördert wurde. Nun hat der Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) seinen Beschluss und den Ergebnisbericht zum Projekt veröffentlicht. Im Rahmen der Studie wurde die „Blended Therapy“ (deutsch: Verzahnte Psychotherapie) positiv bewertet. Hierbei wird die herkömmliche Vor-Ort-Behandlung in Einzeltherapiesitzungen mit Online-Lektionen verknüpft, die die Betroffenen selbstständig bearbeiten können. Überprüft wurde in der Studie, ob dadurch die gleichen Effekte möglich sind wie bei einer herkömmlichen Behandlung. Dazu wurden 75 niedergelassene Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie 495 Patientinnen und Patienten in drei Gruppen aufgeteilt. Alle erhielten bis zu 16 Therapiesitzungen – in der Bedingung „FIX“ davon maximal acht herkömmliche Einzeltherapiesitzungen und acht Sitzungen online. In „FLEX“ mit einem frei wählbaren Verhältnis zwischen herkömmlichen Sitzungen und Online-Sitzungen und in „STANDARD“ mit 16 herkömmlichen Sitzungen. Entscheidend für die Beurteilung der Wirksamkeit war der primäre Endpunkt – Schweregrad der Depressions- und Angstsymptomatik 18 Wochen nach Studieneinschluss. Es zeigt sich, dass die Blended Therapy der ambulanten Psychotherapie nicht unterlegen ist und kosteneffektiv die Versorgungsleistung erhöhen kann.

In Baden-Württemberg ist die PSYCHOnlineTHERAPIE bereits in die Versorgung integriert. Im Modul Psychotherapie des Facharztvertrages für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie (PNP). Analysiert wurden neben der Wirksamkeit auch Kosteneffektivität sowie Akzeptanz und Durchführbarkeit. „Die Verzahnung von Online-Lektionen mit herkömmlichen Therapiesitzungen war in der Routineversorgung wissenschaftlich bisher kaum untersucht“, so Prof. Dr. Harald Baumeister, Leiter der Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Ulm und Konsortialführer des Projekts. „Wir sind froh, dass die Studie PSYCHOnlineTHERAPIE trotz Schwierigkeiten in der Rekrutierung durch die Covid-19-Pandemie erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Die Nichtunterlegenheit von Blended Therapy gegenüber der herkömmlichen Behandlung – gesichert für die FIX-Bedingung – stellt eine bedeutsame wissenschaftliche Erkenntnis mit Potential zur Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung dar. Nachdem die Nutzung der Online-Lektionen nun auch außerhalb des Studienkontextes möglich ist, sind wir auf die Nutzungsart im therapeutischen Alltag gespannt.“

Die Lektionen der PSYCHOnlineTHERAPIE sind strukturierte interaktive Selbsthilfemodule. Konzipiert mit dem Ziel, dass sich die Patientinnen und Patienten mit ihren Erkrankungen vertiefend auseinandersetzen. Dazu tragen Videos oder Audio-Übungen bei. Sie sollen beispielsweise darin unterstützen, negative Denk- und Verhaltensmuster nachhaltig zu verändern. Die betroffenen Personen haben die Möglichkeit, Zeit und Tempo selbst zu bestimmen, und sie können das Gelernte gleich in ihren Alltag übernehmen. Seit April 2025 können am Facharztvertrag PNP teilnehmende Therapeutinnen und Therapeuten die Online-Lektionen außerhalb des Studienkontextes nutzen.

Johannes Bauernfeind, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg erklärt: „Wir sind überzeugt, dass digitale Anwendungen keine Notlösungen sind, sondern zunehmend als sinnvolle Ergänzung oder Alternative zur herkömmlichen Therapie gut funktionieren können. Blended Therapy ist zukünftig ein vielversprechendes Konzept, um Versorgungslücken in effizienter Form zu reduzieren und Wartezeiten zu verkürzen.“ Dabei zeigt die Studie, dass die durchschnittlichen Gesamtkosten für die von der GKV getragenen Versorgungsleistungen je Patient rund 1.000 Euro (FIX) beziehungsweise 700 Euro (FLEX) niedriger lagen als in der STANDARD-Bedingung.

In qualitativen Interviews gab ein Großteil der Therapeutinnen und Therapeuten an, Blended Therapy auch zukünftig nutzen zu wollen und befürworten deren Implementierung ins Gesundheitssystem. Zwei Drittel sind zuversichtlich, dass ihre Patientinnen und Patienten ebenso bereit dazu wären. Diplom-Psychologe Rolf Wachendorf, Vorsitzender der Freien Liste der Psychotherapeuten in Baden-Württemberg und Mitglied des geschäftsführenden Vorstands von MEDI Baden-Württemberg betont: „Als Teilnehmer dieser wegweisenden Studie kann ich guten Herzens sagen, dass die Durchführbarkeit für Psychotherapeutinnen und -therapeuten sowie Patientinnen und Patienten gut gelungen ist. Deshalb wurde PSYCHOnlineTHERAPIE auch über die Studie hinaus mit einer neuen Ziffer in den PNP-Vertrag aufgenommen. Bei den ersten beiden Schulungsveranstaltungen für die therapeutische Seite haben bereits rund 80 Interessenten teilgenommen – weitere stehen bereits auf der Interessentenliste für die nächsten Schulungen.“ Beteiligen können sich alle Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Ärztinnen und Ärzte mit entsprechender Qualifikation und Schwerpunkt Verhaltenstherapie, die am PNP-Vertragsmodul Psychotherapie der AOK Baden-Württemberg, MEDI und der Bosch BKK und an der Schulung durch die Universität Ulm teilnehmen.

Hintergrundinformationen:

Das Projekt PSYCHOnlineTHERAPIE wurde durchgeführt unter der Leitung der Universität Ulm (Prof. Baumeister, Prof. Reichert) in Kooperation mit der TU München (Prof. Ebert) und den PNP-Vertragspartnern. Neben der AOK Baden-Württemberg und der BOSCH BKK sind das die Deutschen Psychotherapeutenvereinigung, die Freie Liste der Psychotherapeuten, der Berufsverband Deutscher Nervenärzte, MEDI Baden-Württemberg und die MEDIVERBUND AG.

Der G-BA empfiehlt dem Innovationsausschuss die Überführung von Ansätzen des Projekts in die Regelversorgung und leitet die Projektergebnisse zur Information u. a. an die Verbände der Kranken- und Pflegekassen auf Bundesebene, die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN), die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie e. V. (DGPM) sowie die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung e. V. (DPtV) weiter.

Kontakt (Pressestellen):

AOK Baden-Württemberg – Telefon: 0711 2593-229, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Bosch BKK – Telefon: 0711 811-31879, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
MEDI Baden-Württemberg – Telefon: 0711 806079-219, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!