19.06.2019

Diabetischer Fuß:
Zahl der Fuß- und Beinamputationen zu hoch

Besondere Versorgung soll Diabeteskomplikationen verringern

Ein typisches Beispiel für die Folgen diabetesbedingter Nervenschäden und Durchblutungsstörungen ist der diabetische Fuß, der zu den häufigsten Komplikationen bei Diabetikern zählt. Dabei sind die Nerven in den Extremitäten so stark geschädigt, dass Schmerzen am Fuß kaum noch wahrgenommen werden. Aus einer Druckstelle oder kleinen Verletzung entsteht dann schnell eine Wunde, die nur schwer heilt, denn die schlechte Durchblutung der Beine und Füße stört und verlangsamt die Wundheilung. Durch die Nervenschäden kann sich zudem die Fußmuskulatur zurückbilden und den Fuß verformen. Im Extremfall können diese Entwicklungen zur Amputation von Teilen des Fußes oder sogar Unter- bzw. Oberschenkelamputationen führen. In Deutschland wird laut Wissenschaftlichem Institut der AOK (WIdO) rund 20.000 Menschen pro Jahr ein Teil des Beines oberhalb des Sprunggelenks amputiert. Um diesen drastischen Folgeerscheinungen nach Möglichkeit vorzubeugen, ist nun in den seit 2017 existierenden AOK-Diabetologievertrag das Modul „Diabetisches Fußsyndrom“ aufgenommen worden. Die besondere Versorgung der betroffenen Patientinnen und Patienten beginnt am 01. Juli 2019.

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der sogenannten Major-Amputationen (Amputationen oberhalb des Sprunggelenks) zwar auch in Deutschland zurückgegangen, gilt im europäischen Vergleich jedoch immer noch als vergleichsweise hoch. Laut Schätzungen von Experten sind von den rund 20.000 Major-Amputationen etwa die Hälfte vermeidbar.

Das Vertragsmodul, das die AOK Baden-Württemberg gemeinsam mit der Diabetologen eG Baden-Württemberg und MEDI Baden-Württemberg aufgesetzt hat, soll in erster Linie anhand eines strukturierten Behandlungspfads und zusätzlichen Maßnahmen die Major-Amputationsrate bei Patientinnen und Patienten mit Diabetischem Fußsyndrom senken. „Wir sind froh, dass das Vertragsmodul nun startet. Ich bin überzeugt davon, dass durch die verbesserte und intensivere Betreuung und Versorgung die Anzahl an schwerwiegenden Komplikationen zurückgehen wird. So verbessern wir vor allem auch die Lebensqualität unserer Patientinnen und Patienten“, sagt Dr. Richard Daikeler, 1. Vorstand der Diabetologen eG Baden-Württemberg und MEDI-Sprecher. Dies soll durch ein abgestuftes Versorgungskonzept von Spezialisten im ambulanten und stationären Versorgungsbereich erzielt werden (Wundnetz). Auch sogenannte Fußambulanzen werden miteinbezogen. Neu ist beispielsweise, dass im Modul der Facharzt bei Risikopatienten bereits einbezogen werden kann, bevor eine Wunde entstanden ist. Existiert bereits
eine Wunde, wird der Patient im Vertragsmodul engmaschig betreut. Dazu zählt neben der Wundsäuberung auch eine strukturierte Wundbehandlung. Zeichnet sich nach acht Wochen kein deutlicher Fortschritt bei der Wundheilung ab, erfolgt eine achtwöchige Nachbehandlung, bei der die Therapie und die Kontrollen weiter intensiviert werden. Ist für den Facharzt erkennbar, dass die Wundheilung nicht deutlich fortschreitet, soll der Patient nach spätestens 24 Wochen in ein (zertifiziertes) stationäres Fußzentrum überwiesen werden. Bei Komplikationen wie zum Beispiel die eines Charcot-Fußes, bei dem häufig im Bereich des Fußes unbemerkt vom Patienten Ermüdungsbrüche entstehen, ist eine Einweisung in ein zertifiziertes stationäres Fußzentrum jederzeit möglich. Wichtiger Bestandteil ist außerdem eine strukturierte Patientenschulung. Betroffene werden bei der Wahl gut passenden Schuhwerks unterstützt und erhalten Informationen, was sie selbst für die Fußgesundheit tun können. Dazu zählen unter anderem kleinere Verletzungen und Schwielenbildung zu vermeiden, kein Barfußgehen im Freien, die tägliche selbstverantwortliche Kontrolle der Füße auf kleine Verletzungen und Wunden sowie eine sorgfältige Fußpflege.

Für die am Vertrag teilnehmenden Diabetologen/innen wurde eine Vergütungsstruktur geschaffen, die auf den tatsächlichen Versorgungsbedarf abgestimmt ist und über die Regelversorgung merklich hinaus geht. Sie orientiert sich an dem vereinbarten Behandlungsschema und ist nach Indikation (Klassifikation nach Wagner-Armstrong) in ärztliche Leistungen und Verbandwechsel aufgeteilt.

In Deutschland leben laut Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) schätzungsweise 6,7 Millionen Menschen mit Diabetes, der damit eine der häufigsten chronischen Erkrankungen ist. Die meisten von ihnen leiden an Diabetes mellitus Typ 2 (ca. 90%). Weltweit sind laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 422 Millionen Menschen von Diabetes betroffen. Damit ist die Zahl der Erkrankten enorm gestiegen - 1980 waren es noch 108 Millionen Menschen. Durch die Entwicklung von Komplikationen ist Diabetes mellitus mit einem hohen Versorgungsaufwand und für die Betroffenen auch mit einem Verlust an Lebensqualität verbunden. Das neue Modul des Diabetologievertrags bringt u.a. mit Hilfe des hinterlegten Versorgungspfads Struktur in die Behandlung der Betroffenen, unterstützt die an der Versorgung beteiligten Therapeuten und honoriert deren Aufwand. Diese Maßnahmen können dazu beitragen dem Verlust an Lebensqualität entgegenzuwirken.

 

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